Wiener Kongress

 

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CfP: Der Wiener Kongress 1814/15. Politische Kultur und internationale Politik. Wien, 17. bis 20. Juni 2015

English Version

Der Wiener Kongress gilt als eines der wichtigsten historischen Ereignisse im Übergang vom Ancien Régime zur modernen europäischen Staatenwelt. Die im Zeitraum von wenigen Monaten in Wien vereinbarte politische und territoriale Neuordnung Europas stellte zum einen die Grundlage einer neuen internationalen Friedensordnung dar, die für ein halbes Jahrhundert Bestand hatte. Die in Wien versammelten Staatsmänner entwickelten zum anderen aber auch eine zukunftsweisende Form von politischer Kultur. Nach den Erfahrungen eines über zwei Jahrzehnte dauernden "Weltkriegs" und dem Zerfall der alteuropäischen Rechtsordnung schien die Ausarbeitung und Implementierung von völkerrechtlich verbindlichen Normen und Vereinbarungen, die nach innen und außen Frieden garantieren sollten, ein dringendes Gebot der Stunde. Internationale Konflikte sollten fortan auf dem Verhandlungswege unter Vermeidung weiterer Kriege gelöst werden.

Der Kongress war jedoch auch ein politisches und gesellschaftliches Kommunikationsereignis ersten Ranges, galt es doch, zwischen den Vertretern von mehr als 200 europäischen Staaten und Herrschaften Verhandlungen sowie den alltäglichen und gesellschaftlichen Ablauf in der Stadt mit über 10.000 Gästen zu organisieren.

 Der Projektverbund "Wiener Kongress“ (vgl. www.wiener-kongress.at) plant im Jubiläumsjahr 2015 eine internationale wissenschaftliche Tagung. Sie soll die wichtigsten nach wie vor offenen Forschungsfragen zum Jahrhundertereignis "Wiener Kongress" behandeln.

Zu den im Folgenden beschriebenen sieben Sektionen erbitten wir Vorschläge (max. 600 Wörter) sowie einen kurzen Lebenslauf in den Konferenzsprachen Deutsch oder Englisch bis zum 30. April 2013 an Karin Schneider (karin.schneider@uibk.ac.at) oder Eva Werner (eva.werner@uibk.ac.at).

1. Netzwerke und Akteure

Der gesellschaftspolitische Hintergrund der Wiener Verhandlungen, die politischen und sozialen Netzwerke, die das Handeln der Akteure mit beeinflussten, wurden bisher in der Forschung wenig beachtet. Gesellige Veranstaltungen, regelmäßige Treffen im privaten Umfeld oder räumliche Nähe durch die Lage der Quartiere förderten und lenkten die Kommunikation zwischen den Akteuren. Die geplante Sektion richtet daher den Fokus auf folgende Fragen:

- Kommunikationskreise der diplomatischen Delegationen

- Verhandlungsstrategien der diplomatischen Akteure

- Kommunikationsstrategien von Interessensvertretern

- Orte und Räume politischer Kommunikation

- Gesellschaftliche Ereignisse und politische Kommunikation

 

2. Im Spannungsfeld zwischen Öffentlichkeit und Geheimdiplomatie

Die Entscheidungen auf dem Wiener Kongress fielen scheinbar allein im kleinem Kreis der Mächtigen unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dennoch spielte jene bereits eine gewichtige Rolle bei vielen Fragen. Dies herauszuarbeiten ist das Hauptanliegen der Sektion. Wie wurden etwa die Wiener Bevölkerung und die zahlreichen Gäste in das Geschehen in Wien einbezogen? Welche Position nahmen die Medien bei der Entscheidungsfindung wie bei der Vermittlung dieser Entscheidungen in den verschiedenen beteiligten Staaten ein? Auch ein Vergleich mit der Verhandlungsweise und der Kommunikation derselben bei anderen Kongressen wäre denkbar.

 3. Völkerrecht und zwischenstaatliche Übereinkommen

Die epochemachende Bedeutung des Wiener Kongresses für die Entwicklung des Völkerrechts zeigt sich in der Langlebigkeit der dort gefassten Beschlüsse. Einzelne Vereinbarungen, wie die Deklaration über die Abschaffung des Sklavenhandels, die Reglements über die freie Schifffahrt oder über den Rang zwischen diplomatischen Vertretern, haben bis heute ihre Geltung bewahrt. Aber auch das allgemeine Konzept einer umfassenden Friedensordnung für ganz Europa war in dieser Form neuartig und beispielgebend; die Konstruktion des Deutschen Bundes, in dem Großmächte und Kleinstaaten zusammengeschlossen waren, ist auch für die Gestaltung von internationalen und supranationalen Organisationen des 21. Jahrhunderts von erheblichem Interesse. Die Beiträge innerhalb der Sektion sollen diesen und weiteren völkerrechtlichen Fragen, die sich aus Anlass des zweihundertsten Jahrestages stellen, nachgehen.

 4. Das europäische Staatensystem und sein Regelwerk

Das im Zuge des Wiener Kongresses etablierte europäische Friedens- und Sicherheitssystem stand in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder im Zentrum kontrovers geführter Debatten, die wertvolle Erkenntnisse über die Mechanismen europäischer Mächtepolitik beigetragen haben. Um zu einem besseren Verständnis der strukturgeschichtlichen Prozesse zu gelangen, erscheint es notwendig, die Grenzen klassischer Politikgeschichte zu überschreiten und neue inhaltliche Akzentuierungen vorzunehmen. In der Praxis bedeutet dies, den Blick nicht nur auf die Entstehung und das Wirken der sog. „Wiener Ordnung“ in Europa zu lenken, sondern auch plurale politische Ordnungsräume jenseits des Kontinents in den Fokus zu nehmen. Von dieser Prämisse ausgehend sind unter anderem folgende Aspekte von besonderem Interesse:

-  Entstehung und Wirken „konzertierter“ Politik: Regeln und Konfliktmanagement (Bündnisse, multilaterale Verträge, Konsultationsmechanismen etc.)

-  Konkretes politisch-militärisches Instrumentarium (territoriale „Barrieren“, Militärrouten, Festungsbauten etc.)

-  Ausformung einer europäischen Zivilgesellschaft und einer „international society“

-  Die Interventionsdebatte und ihre realpolitischen Auswirkungen

-  Europa und die Konfliktschauplätze in Übersee

-  Die Wiener Friedensordnung als Voraussetzung für die Dynamik der europäischen Expansion und der britischen Dominanz im 19. Jh. (z.B. das Mittelmeer als britisch dominierter Ordnungsraum)

 5. Staatsfinanzen und Politik

Der drohende Staatsbankrott Frankreichs hat maßgeblich zum Ausbruch der Revolution 1789 und in der Folge zu den langjährigen bewaffneten Konflikten zwischen den verschiedenen Regimes in Paris und einem Großteil der damaligen europäischen Staatenwelt geführt. Nach fast einem Vierteljahrhundert des Krieges standen viele europäische Staaten vor schwerwiegenden, wenn nicht gar existenziellen Finanzproblemen. Demzufolge hatten die staatlichen Akteure 1814/15 immanentes Interesse daran, die mit der Verschuldung verbundenen Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. In der Forschung wurde das Finanzproblem, trotz aktueller Bezüge, bisher kaum thematisiert.

Mögliche Fragen, welche in dieser Sektion behandelt werden sollen, sind die Rolle von Reparationszahlungen und der finanziellen Wiedergutmachung, die Regelung der Rückzahlung der zahlreichen Kriegsdarlehen, die auf den internationalen Kapitalmärkten aufgenommen wurden, die Präsenz von Repräsentanten der internationalen Banken- und Kapitalwelt im Umkreis von Zusammenkünften von Staatsvertretern, aber auch die Verfassungsfrage in Hinblick auf das Problem der Finanzkontrolle und Rechtssicherheit. Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach der Auswirkung der finanziellen Erschöpfung auf die internationale Politik in den Jahren nach dem Wiener Kongress.

 6. Kunst, Musik und Kultur.

Der Wiener Kongress fungierte als Plattform für kulturelle Produktion aller Art. Dies betrifft einerseits traditionelle Bildmedien wie Medaillen und Ölgemälde, andererseits fungierte aber auch die Druckgrafik als flexibel einsetzbarer Reflektor der Ereignisse. Dazu kommen am Ende des 19. Jahrhunderts Belletristik und Operette, meist in Zusammenhang mit der Schaffung eines künstlichen „Alt-Wien“-Bildes entstanden, die bis heute das Bild des Wiener Kongresses als eines permanenten Festes geprägt haben. In der geplanten Sektion sollen vor allem folgende Fragestellungen diskutiert werden:

 -       Welche Rolle spielten die Künste im Dienst der Politik und Repräsentation?

-      In welcher Weise sind aufgrund der Anwesenheit zahlreicher internationaler Künstler kulturelle Transferleistungen zur Zeit des Kongresses feststellbar?

 

7. Der Wiener Kongress in der Erinnerungskultur

Nach Jahren der Negativbewertung wird der Wiener Kongress heute in überwiegend positivem Lichte gesehen: als ein Zusammentreffen, bei dem es trotz massiver Interessenkonflikte gelang, eine Friedensordnung von vergleichsweise langer Dauer zu schaffen. Der breiten Öffentlichkeit ist der Wiener Kongress allerdings in erster Linie als ausschweifende Festlichkeit im Gedächtnis. Dazu trugen nicht nur die zahlreichen veröffentlichten Tagebücher und Memoiren, sondern beispielsweise auch die Operette „Wiener Blut“ (1899) und mehrere Spielfilme bei. Eng mit dem Bild vom Wiener Kongress verbunden ist in der allgemeinen Erinnerung zudem die Figur des Fürsten Metternich, dessen einseitiges Image als reaktionärer Unterdrücker von Freiheit und nationaler Einheit weit verbreitet ist und erst von der neuesten Forschung verstärkt in Frage gestellt wird.

Bei diesen Bildern und Deutungen des Kongresses will die Sektion ansetzen. Sie blickt damit nicht auf den Wiener Kongress selbst, sondern auf die Erinnerungskulturen zu diesem Großereignis, deren systematische Erforschung noch aussteht. Verschiedene Medien der Erinnerung, wie die Historiografie, Memorialliteratur, Bildmedien, Zeitungen, Schulbücher, Ausstellungen oder Spielfilme können hierfür analysiert werden. Dabei soll den verschiedenen nationalen Hintergründen Rechnung getragen werden.

 

 

 

 

Artikel: Karin Schneider, Der Wiener Kongress – Wende zwischen Tradition und Moderne. In: revue d’Allemagne 43/2 (2011), S. 177–194.

 

Artikel: Reinhard A. Stauber, 1815 - Wiener Kongress: Revolutionskriege, Ende des Alten Reiches und Deutscher Bund. In: Martin Scheutz / Arno Stromeyer (Hgg.), Von Lier nach Brüssel. Schlüsseljahre österreichischer Geschichte (1496-1995), Innsbruck / Wien / Bozen 2010, S. 167-188.

Weitere Informationen

 

Vortrag: Florian Kerschbaumer: „Das Vergnügen erringt den Frieden“ – Netzwerktheoretische Überlegungen zur Interdependenz von Kultur und Politik am Wiener Kongress.
4. Workshop Historische Netzwerkforschung. Von Theorie und Geographie. 26. bis 28. Mai 2011,
Universität des Saarlandes, Campus B3 1, Raum 3.18, Saarbrücken.

Weitere Informationen

 

Vortrag: Reinhard Stauber: 1815 als Schlüsseljahr österreichischer Geschichte.
Universität Salzburg, Haus für Gesellschaftswissenschaften, Rudolfskai 42, Hörsaal 381, 07. April 2011, 13:00 Uhr.

Weitere Informationen

 

Workshop: Politische Kultur und internationale Beziehungen im Umfeld des Wiener Kongresses. Stand und Perspektiven der Forschung, am 24. und 25. März 2011, Wien.

Weitere Informationen

 

Radiobeitrag: Reinhard Stauber: "Betrifft: Geschichte" auf Ö1. Restauration und die Legitimität alter Dynastien. Die Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress. Donnerstag, den 16.12.2010 und Freitag, den 17.12.2010, jeweils um 17.55 Uhr.

Weitere Informationen: http://oe1.orf.at/betrifftgeschichte

 

Vortrag: Reinhard Stauber: 1815 - Ende des Heiligen Römischen Reiches, Deutscher Bund, Napoleonische Kriege, Ringvorlesung: Von Lier nach Brüssel: Schlüsseljahre Österreichischer Geschichte (1496-1995).
3. Dezember 2010, Universität Wien (HS 41), 12:00 Uhr

Weitere Informationen

 

Ausstellung: Wie funktionierte Friedenssicherung vor 200 Jahren?
Mit dieser Frage präsentiert sich das FWF Projekt Der Wiener Kongress und sein
europäisches Friedenssystem 1814/15-1825
im Rahmen der Langen Nacht der Forschung am Freitag, den 5. November 2010, von 16:00 bis 23:00 Uhr, an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt.

Alle Informationen unter www.lnf2010.at

 

Vortrag: Florian Kerschbaumer: „Ganz Europa in meinem Vorzimmer“ – Soziale Systeme und ihre Bedeutung für die Etablierung einer europäischen Friedensordnung am Wiener Kongress 1814/15. Möglichkeiten, Grenzen und methodische Herausforderungen einer Netzwerkanalyse, 2. Methodenworkshop Netzwerkforschung in den Geistes- und Sozialwissenschaften, Universität Trier, 17. bis 18. September 2010.

Programm
 

 

Vortrag: Karin Schneider: The Jewish question at the Congress of Vienna. Tagung: 2nd Summer Academy Of the Research Cluster "Jews in the Holy Roman Empire", Mt. Scopus, Jerusalem, 15. bis 20 August 2010.
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=14388

 

Vortrag: Karin Schneider: Metternich und der Nacktscanner: "Sicherheit" als Priorität. Tagung: Fetisch als heuristische Kategorie, Universität Innsbruck, 03. Juni bis 04. Juni 2010.
Tagungsbericht: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=3195

 

 Rezension: Eva Maria Wener über Matthias Schulz, Normen und Praxis. Das Europäische Konzert der Großmächte als Sicherheitsrat. 1815 - 1860 (München / Oldenbourg 2009). In: Sehepunkte 10/1 (2010): http://www.sehepunkte.de/2010/01/14705.html

 

 

 

 

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